Heute widme ich mich einem streitbaren Thema. Zu Beginn des Jahres teilten mir einige Bekannte und Freunde mit, dass sie sich aus den sogenannten Sozialen Medien zurückziehen. Es ergebe schließlich alles keinen Sinn mehr: Die Stimmung in diesen Netzwerken sei vergiftet. Die Daten, die von uns gesammelt werden – wer weiß, was man damit alles anfangen könne. Und überhaupt: Wie könne man bitte mit Bots diskutieren? Die sind doch dafür da, um eine gewollte Meinung zu manifestieren. Evtl. sogar konstruktive Kräfte, die auf Ausgewogenheit aus sind, immer mehr an den Rand zu drängen. Und überhaupt: Ob ich bereits von der Dead Internet Theory gehört hätte?

Tatsächlich hatte ich bereits von der Dead Internet Theory gehört.

Auf YouTube wurde mir von Alicia Joe, die ich seit einiger Zeit schon abonniert habe, tatsächlich ein Video vorgeschlagen, das sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Wie üblich, hat sie in ihrer Description die Quellen aufgelistet, die sie für ihr Video verwendet hat. Nachdem ich ihren Ausführungen zugehört hatte, setzte sich bei mir ein Gedanke fest, der mir seit dem immer wieder in Erinnerung gerufen wird: Was ist, wenn an dieser Theorie doch etwas dran sein sollte? Damit ihr wisst, worüber ich rede, möchte ich euch in diesem Beitrag das Video von Alicia Joe verlinken und euch empfehlen, ihrem Kanal auf YouTube zu folgen. Ich gebe ihr nicht in allem Recht, was sie in ihren Videos an Vermutungen aufstellt und an Gedanken zulässt. Aber sie befasst sich mit gesellschaftlichen Themen so, dass sie immer wieder interessante und über das Thema hinausgehende Fragen aufwirft.

Die verwendeten Quellen haben ihre Berechtigung.

Ich habe mir die Quellen von Alicia Joe genauer angeschaut und halte fest: Sie haben ihre Berechtigung. Die Gedankengänge einiger Journalist:innen sind nachvollziehbar und von ihrer Seite aus wiederum gut belegt. So zum Beispiel dieser bemerkenswerte Artikel von Kaitlyn Tiffany auf The Atlantic. Darin hält sie fest: Obwohl die Dead Internet Theory nicht faktisch belegt sei, fühlt sie sich für viele Nutzer plausibel an, da große Plattformen zunehmend von algorithmisch optimierten Inhalten gesteuert werden. Sie erklärt, dass wirtschaftliche und technologische Entwicklungen – etwa automatisierte Inhalte, Clickbait und personalisierte Werbung – dazu beitragen würden, das Internet unpersönlicher erscheinen zu lassen. Abschließend fügt sich jedoch hinzu: Das Netz bleibe ein Ort menschlicher Kreativität und Interaktion, auch wenn es sich durch Automatisierung und Kommerzialisierung verändert.

Also befrage ich mal die KI.

Da ich ein neugieriger Mensch bin, interessiert es mich, was die Hauptprotagonisten über die Dead Internet Theory „denken“. Also befrage ich eine KI und unterhalte mich mit ihr über dieses Thema. Die folgenden Ausführungen, die in der Fragestellung von mir mit einem Sternchen* gekennzeichnet wurden, sind also Antworten einer KI, die ich hier und da mit Quellen versehe (wissenschaftlich „arbeiten“ diverse KIs derzeit immer noch nicht so richtig). Natürlich ist in diesem Zusammenhang das Wort „denken“ weit hergeholt, weil KI-Systeme, wie wir sie derzeit verwenden, eigentlich nur ihr Wissen aus öffentlich zugänglichen Quellen speisen und diese zusammenfassen. Eigene Gefühle oder Gedanken haben sie im klassischen Sinne (noch) nicht.

Kannst du mir bitte ein paar Infos die Dead Internet Theory zur Verfügung stellen?*

Die Dead Internet Theory ist eine Verschwörungstheorie, die behauptet, dass ein Großteil des Internets, insbesondere seit 2016 oder 2017, von Bots und künstlicher Intelligenz (KI) dominiert wird, anstatt von echten Menschen. Dabei kann man folgende Hauptaussagen zusammenfassen:

  • Die meisten Interaktionen im Internet, vor allem in sozialen Medien, werden von Bots durchgeführt.
  • Eine geheime Gruppe oder KI selbst nutzt das Internet, um die öffentliche Meinungsbildung durch Desinformation zu beeinflussen.
  • Mehr als die Hälfte aller Online-Aktivitäten wird von Bots generiert.
  • Regierungen nutzen Bots, um die öffentliche Wahrnehmung zu manipulieren.

Ursprung und Verbreitung

Die genaue Herkunft der Theorie ist unklar, aber sie gewann spätestens 2021 in verschiedenen Internetforen an Popularität. Ein bedeutender Beitrag zur Verbreitung war ein Post mit dem Titel „Dead Internet Theory: Most Of The Internet Is Fake“ im Agora Road’s Macintosh Cafe Forum. Die Argumente der Befürworter der Dead Internet Theory:

  • Zunehmende Präsenz von Bots und KI-generierten Inhalten
  • Scheinbar repetitive Online-Diskurse
  • Aufkommen von „KI-Influencern“
  • Algorithmen, die bestimmen, welche Inhalte Nutzer sehen
  • Leichte Verbreitung von Fake News und Desinformation durch Bots

Kritik und Gegenargumente

  • Die Theorie wird oft als „paranoide Fantasie“ oder Creepypasta bezeichnet.
  • Sie vereinfacht die komplexe Realität des Internets zu stark.
  • Es gibt wenig empirische Belege jenseits anekdotischer Evidenz.
  • Die Rolle von Bots und Algorithmen wird möglicherweise übertrieben.
  • Menschen entwickeln und setzen diese Technologien ein, was den menschlichen Faktor betont.

Trotz ihrer kontroversen Natur hat die Dead Internet Theory Diskussionen über den wachsenden Einfluss von KI im Internet angeregt und wird von manchen als mögliches dystopisches Zukunftsszenario ernst genommen.

Gibt es wissenschaftliche Studien, die die Dead Internet Theory bestätigen?*

Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die die Dead Internet Theory eindeutig bestätigen. Die Theorie wird weitgehend als unbegründete Verschwörungstheorie betrachtet. Folgende Punkte sprechen gegen eine wissenschaftliche Bestätigung der Theorie:

  • Mangel an empirischen Belegen: Über anekdotische Evidenz hinaus gibt es wenige konkrete Belege für die Behauptungen der Theorie.
  • Übertriebene Schlussfolgerungen: Kritiker argumentieren, dass die Theorie die komplexe Realität des Internets zu stark vereinfacht und übertriebene Schlussfolgerungen zieht.
  • Fehlende Falsifizierbarkeit: Als Verschwörungstheorie erfüllt sie nicht die wissenschaftlichen Gütekriterien wie Falsifizierbarkeit und Messbarkeit.
  • Widersprüchliche Daten: Der Bad Bot Report des Unternehmens Imperva für 2024 stellte fest, dass etwas weniger als die Hälfte aller Internetinteraktionen nicht-menschlichen Ursprungs waren, was gegen die Hauptaussage der Theorie spricht.
  • Kritische Betrachtung: In wissenschaftlichen Kreisen wird die Theorie oft als „paranoide Fantasie“ oder Creepypasta bezeichnet.

Einige Aspekte der Theorie, wie die zunehmende Präsenz von Bots und KI-generierten Inhalten, werden in der Forschung untersucht, aber nicht in dem extremen Ausmaß, wie es die Theorie behauptet. Letztlich hat sie Diskussionen über den wachsenden Einfluss von KI im Internet angeregt und wird von manchen als mögliches dystopisches Zukunftsszenario betrachtet.

Wie beeinflusst die Dead Internet Theory die öffentliche Meinung?*

Die Dead Internet Theory beeinflusst die öffentliche Meinung auf mehrere Arten, obwohl sie selbst eine unbewiesene Verschwörungstheorie ist:

  • Misstrauen gegenüber Online-Inhalten: Die Theorie fördert ein generelles Misstrauen gegenüber Online-Inhalten und Interaktionen. Menschen beginnen zu hinterfragen, ob die Beiträge und Kommentare, die sie sehen, tatsächlich von echten Personen stammen oder von Bots generiert wurden. Dies kann zu einer skeptischeren Haltung gegenüber Informationen im Internet führen.
  • Wahrnehmung von Manipulation: Die Dead Internet Theory verstärkt die Wahrnehmung, dass Unternehmen und Regierungen das Internet nutzen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Dies führt zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber möglichen Beeinflussungsversuchen durch Bots und KI-generierte Inhalte.
  • Echokammern und Polarisierung: Die Theorie suggeriert, dass Algorithmen und Bots Nutzer in Echokammern halten, um ihre Sichtweisen zu formen und zu verstärken. Dies kann zu einer verstärkten Wahrnehmung von Polarisierung in Online-Diskussionen führen und das Vertrauen in die Authentizität von Meinungsvielfalt im Internet untergraben.
  • Kritische Auseinandersetzung mit KI: Die Verbreitung der Theorie regt Diskussionen über den wachsenden Einfluss von KI im Internet an. Dies führt zu einer kritischeren Auseinandersetzung mit der Rolle von KI und Automatisierung in der Online-Kommunikation.
  • Auswirkungen auf die Demokratie: Die Dead Internet Theory wirft Fragen zur Integrität demokratischer Prozesse auf. Die Vorstellung, dass Bots gezielt eingesetzt werden könnten, um Wahlen oder politische Diskurse zu beeinflussen, kann das Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse erschüttern.

Obwohl die Dead Internet Theory selbst nicht wissenschaftlich belegt ist, hat sie dennoch Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Menschen das Internet wahrnehmen und nutzen. Sie fördert eine kritischere, aber auch potenziell paranoidere Sichtweise auf Online-Interaktionen und -Inhalte.

Fazit: Gemischte Gefühle

So, das waren nun wirklich genug Informationen zum Thema. Die KI selbst hält die Dead Internet Theory weiterhin für eine Verschwörungstheorie. Viele Quellen deuten auch weiterhin in diese Richtung. Allerdings finde ich es interessant, dass sich vermehrt wissenschaftliche Institutionen diverser Universitäten mit dieser Theorie auseinandersetzen – weiterhin differenziert, aber doch zunehmend intensiver. Bei den Recherchen ist mir mein innerer Zwiespalt bewusst geworden. Einerseits bemerke auch ich, dass ich vermehrt Anfragen von Bots auf Instagram bekomme. Zudem bemerkt man die zunehmende Anzahl an Chatbots bei vornehmlich größeren Betrieben, die mal mehr, mal weniger gut funktionieren. Andererseits sehe ich noch genügend Content von echten Menschen – und zwar mit all ihren Ecken und Kanten. Denn bei genauerer Betrachtung ist nicht alles perfekt – und das macht es nach wie vor sozial. Zugleich bemerke ich, dass mich die Recherchen innerlich ein wenig aufwühlen. Dadurch kommt, unverkennbar, meine nachdenkliche Seite zum Vorschein.

Dead Internet Theory - alles nur noch Illusion? - © ausgeglichen unterwegs
Ist künftig alles nur noch eine Illusion oder gar eine schlechte Kopie von uns? Immer wieder sehe ich Fake-Accounts, die die Identität einiger meiner Bekannten entwendet haben. Trotz all dieser kriminellen Energie halte ich das World Wide Web nach wie vor für sehr dynamisch und lebendig (Aufnahme: © ausgeglichen unterwegs, November 2024).

Persönliche Einordnung

Dennoch möchte ich meine persönliche Ansicht zu den diversen Handlungen und zum Thema an sich offenbaren. Der Rückzug von sehr konstruktiven wie gebildeten Menschen aus Social Media kann ich einerseits gut nachvollziehen. Für mich persönlich habe ich allerdings entschieden, weiterhin aktiv zu bleiben. Und das aus einem Grund: Wenn sich alle konstruktiven Kräfte aus Social Media zurückziehen, ist es tatsächlich nur noch ein digitaler Ort des Hasses und des gegenseitigen Anstachelns. Ein Moloch an schlechten Nachrichten und noch viel absurderen Verschwörungstheorien. Ein Blick zurück zeigt: In analogen Zeiten wurden Menschen, die Absurdes oder schlicht Falsches behaupteten, als solche kenntlich gemacht. Natürlich ist das nicht angenehm – aber es ist nun mal nicht jede:r Albert Einstein himself.

Über die Möglichkeiten der individuellen Meinungsbildung

Einen weiteren bemerkenswerten Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung möchte ich euch nicht vorenthalten. Darin beschäftigt man sich mit der individuellen Meinungsbildung und Meinungsäußerung in sozialen Medien. Er beschreibt, wie soziale Plattformen den Zugang zu Informationen erleichterten, aber gleichzeitig durch Algorithmen die Wahrnehmung und Verbreitung von Meinungen beeinflussten. Filterblasen und Echokammern könnten dazu führen, dass Nutzer vor allem mit gleichgesinnten Ansichten konfrontiert würden, was die öffentliche Debatte einseitiger machen könnte. Zudem spielten emotionale und provokative Inhalte eine große Rolle in der digitalen Meinungsbildung, da sie sich schneller verbreiteten. Trotz dieser Herausforderungen böten soziale Medien jedoch auch Chancen für politische Partizipation und den Austausch vielfältiger Perspektiven.

Verantwortung übernehmen

Wer etwas drauf hat, sich viel Wissen angeeignet hat und Verantwortung übernehmen will, der weiß: Man muss dagegen halten. Gegen Desinformation und Falschnachrichten anschreiben. Den Leuten im Netz zeigen: Nein, das ist nicht die Realität. Wir dürfen uns dabei nicht nur allein auf Qualitätsmedien verlassen, denn diese werden mit einem intriganten Manöver diverser Anti-Demokrat:innen in Schach gehalten: Flood the zone with s***. Wir sollten also bewusst digital Kontakt zu Menschen aufnehmen und die Dinge gerade rücken. Präsenz zeigen und Falschnachrichten sowie Desinformation den fruchtbaren Boden nehmen. Dabei sollten wir uns gegenseitig unterstützen und mit konstruktiven Inhalten die (digitale) Welt besser machen und Zuversicht verbreiten. Das Fazit vom Fazit lautet also: Wir sind selbst dafür verantwortlich, dass aus einer Verschwörungstheorie keine Realität wird.