Im Frühjahr 2024 führte mich ein kurzer Trip nach Brünn. Die zweitgrößte Stadt der tschechischen Republik ist für ihre Mischung aus historischen Gebäudekomplexen und moderner Architektur bekannt. Diesmal nahm ich mir bewusst Zeit, um die Stadt auf eine besondere Weise festzuhalten – und zwar durch die Streetphotography. Und im Speziellen durch Reflexionen, die mir bei meinen Begehungen so unterkamen. Kleinere Wasserflächen (inkl. Pfützen) und innerstädtische Schaufenster boten mir dabei eine gespiegelte Ansicht, die weit über das bloße Abbild eines Motivs hinausgehen.
Die Faszination der Spiegelungen
Was mich an Spiegelungen fasziniert, ist ihre Fähigkeit, eine zweite Realität zu erschaffen. In Brünn wurden selbst alltägliche Szenen durch die Reflektionen in Schaufenstern und Pfützen zu kleinen Kunstwerken. Es sind nicht nur die Objekte oder Gebäude, die sich im Wasser spiegeln, sondern auch die Farben, das Licht und die Formen, die dadurch neu arrangiert werden. Es entstehen flüchtige Momente, die das Auge einfangen kann, aber die leicht übersehen werden, wenn man nicht bewusst hinsieht.
Gespiegelte Ansicht: Urbane Fotografie als Entdeckungsreise
Durch das Spiel mit Reflexionen habe ich für mich eine besondere Art des fotografischen Wahrnehmens entdeckt. Oft übersehen wir im Alltag Details, die uns eigentlich viel zu sagen hätten. Spiegelungen ermuntern uns dazu, innezuhalten und genauer hinzuschauen. Sie zeigen uns die Welt aus einem anderen Blickwinkel – buchstäblich. In Brünn war das Fotografieren dieser Reflexionen eine Einladung, den Moment anders aufzunehmen. Wo die Realität des Motivs aufhört und die Spiegelung beginnt, verschwimmt die Grenze. Es wird plötzlich klar, dass man die Welt nicht zwangsläufig so sehen muss, wie sie einem auf den ersten Blick erscheint.
Die Dynamik einer Innenstadt
Das Schaufenster im Stadtzentrum ist in vielerlei Hinsicht ein spannendes Beispiel für die Lebendigkeit einer Innenstadt. Es spiegelt nicht nur die Laufwege der Passant:innen wider, sondern erweckt auch das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Die Bewegung der Menschen am Schaufenster vorbei wird in der Glasfläche eingefangen und zeigt, wie schnelllebig und trotzdem in gewisser Weise relaxed das Leben in der Stadt ist. Es ist eine Reflexion der ständigen Bewegungen und Interaktionen, die unseren Alltag prägen.

Warum ich diese Szene so aufgenommen habe
Ich liebe die Dynamik belebter Innenstädte – vor allem gepflegter, zentraleuropäischer Cities. Vorweg: Brünn ist im großen und ganzen eine sehr saubere Stadt. Zurück zur Innenstadt: Dieses Foto habe ich unweit des Freiheitsplatzes aufgenommen und zeigt das Flair einer Einkaufsstraße in Brünn. Die uns bekannten Modeketten sind klar zu erkennen. Und gleichzeitig sieht man den Menschen an, unter welchen Umständen sie gerade durch diese Straße spazieren: Pärchen flanieren und sehen vergleichsweise entspannt aus. Während andere offensichtlich unterwegs sind und diese Straße lediglich zum Durchgehen verwenden.
Der Effekt der Spiegelfläche (im übertragenen Sinne)
Die Spiegelfläche für diese Szene bietet mir dabei ein Schaufenster einer Bank. Darin erkennt man nicht nur einen Teil der Straßenszene – man sieht auch, dass sie darin etwas verzerrt wiedergegeben wird. Im Übertragenen Sinne könnte man festhalten, dass man sich nicht immer auf das stützen sollte, was auf dem ersten Blick als allzu offensichtlich erscheint. Weder bei Einschätzungen von Personen noch in Diskussionen mit Ihnen hilft eine solche Verhaltensweise weiter. Stattdessen ist es ratsam, das gesamte Bild (oder eben die Szene als Ganze) im Blick zu behalten. Menschen sind nun mal vielschichtiger als ihre Oberfläche erscheint.
Gespiegelte Ansicht in dunklen Räumen
Der stillgelegte Wasserspeicher unter dem Žlutý Kopec ist ein faszinierendes Zeugnis der Architekturgeschichte. Die noch vorhandenen Pfützen gerade zwei der drei Speicher laden dazu ein, die historische Architektur dieser Wasserspeicher gespiegelt zu fotografieren. Die Reflexionen auf den kleineren Wasseroberflächen zeigen nicht nur die beeindruckende Baukunst des Speichers, sondern schaffen auch einen spannenden Kontrast zwischen der Dunkelheit der Unterwelt und der installierten Beleuchtung. Viel Interpretationsspielraum für all jene, die in Fotos Geschichten und Bedeutungen sehen.

Dieser Ort ist wirklich besonders
Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich mich auf diesen Teil des Trips besonders gefreut und dieses Ticket recht früh gebucht habe. Alte, historische Wasserspeicher, die mal eine Stadt versorgt haben sollen. Die mit der Zeit auch andere Funktionen übernahmen. Jene drei begehbare Wasserspeicher, die organisch aufgebaut und erweitert wurden. Die für sich drei völlig unterschiedliche Charaktere aufweisen. Allein die Historie dieses Ortes ist fesselnd. Ich verbrachte dementsprechend viel Zeit (und clever eingekleidet) in diesen Räumlichkeiten. Und nun zeige ich dir, weshalb ich ausgerechnet diese Aufnahme (von zahlreichen anderen Fotos) für diesen Beitrag ausgesucht habe.
Was dieses Bild aus meiner Sicht so besonders macht
Zuerst fällt einem das historische Gemäuer auf – die Säulen, die Wand (sofern man sie in dieser Dunkelheit noch erkennen kann) und die Decke. Der Boden erscheint geschliffen, ja fast schon betoniert (das ist er allerdings nicht). Weder der Boden noch die Decken sind gerade ausgerichtet. Stattdessen weisen beide eine bogenartige Bauweise, sodass man auch das Feeling bekommt, in einem großen Wasserspeicher zu stehen. Die kleine Wasserlache vor mir (bzw. vor meinem Objektiv) erstreckt sich derweil entlang des Gangs und spiegelt die Szenerie wider.
Der Zauber der Spiegelung
In der Mitte des Bildes, wo es am dunkelsten ist, erahnt man die Rückwand des einen von insgesamt drei Wasserspeicher. Die spärliche Beleuchtung erhellt die Gänge und die Decke, damit man sich im Speicher orientieren kann. Und gleichzeitig schafft sie zusätzliche Schatten, die die Säulen in diesem Gang mit einigen geheimnisvollen dunklen Flächen ausstatten. Somit sind die genauen Schichtstrukturen der Säulen direkt nicht zur Gänze erkennbar. Die gespiegelte Ansicht in der Wasserlache selbst zeigt die Struktur dieser Säulen etwas detailreicher. Spannend finde ich, dass die Farben in dieser Wasserfläche in etwa gleich widergespiegelt werden.
Spiegelungen im übertragenen Sinn
Gespiegelte Ansichten gibt es jedoch nicht nur in der Fotografie. Manchmal begegnen wir ihnen auch im Alltag. Sie zeigen uns für gewöhnlich, wie wir wahrgenommen werden. Und manchmal auch, wie wir auf andere wirken, da sie uns in Situationen spiegeln. Ähnlich der Reflexion in der Fotografie ist diese gespiegelte Ansicht oft unscharf, nicht ganz vollständig oder gar verzerrt. Das Schweigen anderer z. B. sagt nicht immer etwas über ihre tatsächlichen Gedanken oder Gefühle aus. Schweigen muss schließlich nicht unbedingt bedingungslose Zustimmung bedeuten. Oder gar Unwissen. Das Schweigen einer Person kann darauf hindeuten, dass sie nicht (mehr) alles kommentieren muss. Vielleicht hat diese Person im Schweigen auch schon ihre persönlichen Konsequenzen aus so manchem Umstand gezogen.

Das Equipment
Jetzt interessiert es dich natürlich, mit welchem Equipment ich diese Bilder aufgenommen habe. Grundsätzlich war ich an diesen Tagen in Brünn mit meinem Smartphone und meiner Spiegelreflexkamera sowie einem Stativ unterwegs. Die hier veröffentlichten Aufnahmen sind allerdings mit meinem Smartphone entstanden. Dieses hat es mir ermöglicht, mich möglichst diskret durch die Straßen der Innenstadt zu bewegen und dabei Fotos in Situationen aufzunehmen, in welchen sich Menschen nicht beobachtet fühlten und dadurch natürliche Verhaltensmuster an den Tag legten. Diese gespiegelte Ansicht sieht man vor allem in dem ersten der drei Fotos.
Der Effekt der Abweichung
Mit der Spiegelreflexkamera und dem Stativ bin ich anschließend auch meine Runden durch Brünn gegangen. Und da hatte ich das Gefühl, dass mir Personen auf der Straße beim Fotografieren eher auswichen. Mit dem Ergebnis, dass auf diesen Bildern tatsächlich weniger Menschen zu sehen sind. Es gibt also noch weitere spannende Aufnahmen aus Brünn, die ich mal in einem anderen Post veröffentlichen werde. Denn die Streetfotografie besteht bekanntlich nicht nur aus dem Fotografieren von Reflexionen.
Fazit: Die Schönheit der flüchtigen Momente
Mein Trip nach Brünn war eine Erinnerung daran, wie kraftvoll Reflexionen sein können – in der Fotografie genauso wie im Leben. Es sind oft die flüchtigen, unerwarteten Momente, die uns kurz innehalten lassen und uns anschließend eine neue Perspektive auf das vermeintlich Bekannte bieten. Bist du auch von Streetphotography fasziniert? Mein Trip nach Brünn war für mich eine Gelegenheit, erstmals bewusster in ebendiese spannende Disziplin einzutauchen. In Zukunft plane ich weitere Aufenthalte in Brünn und anderen Städten in Zentraleuropa, um diesen Teil der Fotografie weiter zu erkunden. Wenn du Lust hast, dich darüber auszutauschen, schreib mir gerne über mein Kontaktformular!