Die ersten beiden Destinationen auf meiner Interrail-Reise waren schon ein verdammt guter Start. Voller wunderbarer Eindrücke geht es nun mit dem Zug weiter in den hohen Norden. So richtig weit in den Norden. Genauer: nach Narvik. Für mich geht damit einer meiner vielen Kindheitsträume in Erfüllung. Ich wollte schon immer mal nördlich des nördlichen Polarkreises fahren, um mir dort die Orte und Landschaften anzuschauen. Wenn ich nebenbei noch das eine oder andere Nordlicht zu sehen bekomme – nun, das wäre ein wunderbarer Bonus für mich.

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Nachtzug nach Narvik

Von Stockholm aus kann man, mit entsprechend zuvor durchgeführter Reservierung, mit dem Nachtzug nach Narvik fahren. Mein Tipp für diesen Teil der Strecke: Der Zug wird sehr viel genutzt und erschien mir auf meiner Fahrt sehr gut ausgelastet zu sein. Über die Webseite der SJ (Schwedischen Eisenbahn) kann man sich online die Sitz- oder Schlafplatzreservierung vorher sichern. Etwas umständlich war dabei die Art und Weise der Reservierung. Darum bin ich mal an dieser Stelle so frei und verlinke die Schritt-für-Schritt-Anleitung, um mit dem Interrail-Globalpass in Schweden eine Sitzplatzreservierung vornehmen zu können.

In meinem Fall wurden für Hin- und Rückfahrt umgerechnet in etwa weitere 42 € fällig – wobei ich einen Schlafplatz in einem Damen-Dreierabteil hatte. Für den Sitzplatz werden umgerechnet ca. 6 € pro Fahrt fällig. Ob ich nochmals einen Schlafplatz in einem Dreierabteil nehmen würde, wenn ich mit dem Zug in den hohen Norden fahre? Ich denke, das nächste Mal werde ich eher die Sitzplatz-Variante wählen. Denn vor allem, wenn man mit dem Koffer verreist, ist das Dreierabteil fast schon eine Spur zu eng gewesen. Übrigens: Auch wenn der Großteil der Strecke auf schwedischem Staatsgebiet verläuft, werden diese Fahrten von der norwegischen Staatsbahn durchgeführt.

Mit dem Zug in den hohen Norden – die Landschaft

Auf dieser langen Zugfahrt kann man es sich ganz gemütlich machen. Denn auf den etwa 1.300 km (laut Railplanner-App) von Stockholm nach Narvik gibt es einiges zu sehen. In der Nacht kann man dann getrost die Augen schließen, um am nächsten Morgen während der Fahrt festzustellen, dass sich das Aussehen der Landschaft enorm verändert hat. Es hatte also durchaus so seine Vorzüge, mit dem Zug in den hohen Norden zu fahren. Denn so konnte ich nicht nur den Ausblick genießen und die Veränderung der Landschaft bewusst wahrnehmen, sondern mich zwischendurch ausruhen.

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Am spektakulärsten war für mich der Abschnitt zwischen Torneträsk und Björkliden im nördlichen Schweden. Die Bahnstreck führt südlich am See Torneträsk vorbei. Es bot sich für mich ein wunderbares Bild aus verschneiter Landschaft sowie ein in großen Teilen zugefrorener See. Zugleich war es während der Fahrt relativ sonnig. Während der Zugfahrt nach Stockholm im südlichen Schweden sind mir vor allem die waldreichen Gebiete aufgefallen. Nun, nördlich des Polarkreises, sind die Landschaften anders: Die Bäume sind kleiner, die Vegetation nicht mehr ganz so üppig. Die verschneiten Gipfel der Berge sind nun deutlich zu sehen.

Zauberhaftes Narvik

Gleich vorweg: Sollte ich erneut eines Tages auswandern wollen und zwar in einer Gegend, in welcher ich vor allem die Landschaft „in vollen Zügen“ genießen dürfte, dann wäre Narvik relativ weit oben auf dieser (derzeit nicht existenten) Liste. Diese Ortschaft hat lediglich etwas mehr als 14.000 Einwohner. Doch infrastrukturell ist so ziemlich alles da, was man braucht, um ein geordnetes Leben dort führen zu können. Die Landschaft um Narvik herum ist dafür umso atemberaubender. Und wer sich irgendwann (also, im äußerst unwahrscheinlichen Fall) doch mal an die umgebende Landschaft satt gesehen hat, kann immer noch die eigenen Skier oder das eigene Snowboard nehmen und eine Runde abfahren. Denn in der Ortschaft gibt es einen Skilift. Die Skipiste dürfte dann noch einen wesentlich spektakuläreren Blick auf die Ortschaft und Landschaft ermöglichen.

Mit dem Zug in den hohen Norden - Narvik (c) ausgeglichen unterwegs
Sonniges Wetter und eine verschneite Landschaft – Narvik kann (und darf!) auch mal kitschig sein (Foto: © ausgeglichen unterwegs, April 2023).

Ein Blick in die Vergangenheit

Die Nationalsozialisten hatten im Jahr 1940 wohl etwas anderes im Blick als die Landschaft. Denn Narvik war in seiner Historie vor allem bekannt für seinen Hafen sowie für die Anbindung an der Ofotenbahn. Letztere brachte das im schwedischen Teil des Lapplands abgebaute Eisen in die Ortschaft, um es von dort aus exportieren zu können. Darauf hatten es die Nationalsozialisten abgesehen, als sie am 09. April 1940 Narvik angriffen. Die Schlacht dauerte über zwei Monate und hinterließ seine Spuren, über die man sich im Kriegsmuseum informieren kann. Im World Wide Web wurde die Schlacht um Narvik von dem Projekt „Lebendiges Museum Online“ eindrucksvoll aufbereitet.

Die besondere Lage

Zurück in die Gegenwart: Dass sich Narvik in einer besonderen geografischen Lage befindet, weiß man nicht nur, wenn man sich mit der Geschichte dieser Ortschaft ein wenig beschäftigt. Für mich war vor allem der Standort mit den zahlreichen Wegweisern ein augenöffnender Moment: Wie bitte? Ich war zu diesem Zeitpunkt etwa 3.096 km Luftlinie nördlich von Wien? Ins etwas wärmere Rom hätte ich sogar schätzungsweise 3.885 km (Luftlinie) zurücklegen müssen. Und letztlich war ich lediglich ca. 740 km Luftlinie vom Nordkap entfernt? Der Nordpol wäre mit einer ungefähren Entfernung von 2.407 km (Luftlinie) sogar näher gewesen als Wien oder Rom. Ach, wie cool! 🙂

Und wo geht es als nächstes hin? (Foto: © ausgeglichen unterwegs, April 2023)

Die Ortschaft an sich ist zwar ziemlich hügelig, doch sehr viele Attraktionen sind fußläufig erreichbar. Dementsprechend konnte ich mich entspannt zu Fuß durch die Ortschaft bewegen. Wenn man sich nach einem Spaziergang stärken will, dann hat man vor Ort mehrere Möglichkeiten. Die Bandbreite des gastronomischen Angebots reicht von italienischen oder thailändischen Restaurants, über Burger-Läden bis hin zu landestypischen Lokalen. Wer offen für kulinarische Besonderheiten ist, sucht ein landestypisches Lokal auf. Meine Wahl fiel auf das Fiskekroken direkt bei den Fiskehallen (Fischmarkt). Dort kann ich den sogenannten „Signature Dish“ sowie das Cuvée des Lofoten empfehlen.

In Narvik sind viele Sehenswürdigkeiten zu Fuß gut erreichbar. Im April allerdings nicht die Winterstiefel vergessen! Schließlich könnte noch ordentlich Schnee auf den Straßen liegen 😉 (Foto: © ausgeglichen unterwegs, April 2023).

Mit dem Zug in den hohen Norden – und zurück.

Ich habe die Zeit in Narvik wirklich sehr genossen. Der erste, wenn auch sehr kurze Besuch, war für mich lediglich der Beginn von mehreren Reisen in diese atemberaubende Region. Denn die Landschaften um Narvik herum wollen auch noch entdeckt werden. Und wer hätte denn nicht Lust darauf, mal die Mitternachtssonne dort zu erleben? Die Nordlichter jedenfalls habe ich an einem Abend – wenn auch etwas schwächer als auf den vielen Bildern im Web zu bestaunen – gesehen. Nur hatte ich so gar keine Lust, diesen kurzen Augenblick zu fotografieren. Stattdessen habe ich es für mich genossen. Denn auch das darf mal sein: Die Polarlichter just in jenem Augenblick bewusst wahrnehmen und über das Schauspiel staunen. Auch ganz ohne Foto zaubert mir dieser Moment noch heute ein Lächeln ins Gesicht.